Das Rheinische Landestheater Neuss überzeugte mit bunter Junk-Oper im Teo Otto Theater.
Wenn Laila Richter mit zart, brüchiger Stimme „Flying Peter“ singt, dann schwebt mit Peters Puppenebenbild, am knallbunten Schirm festgeklammert, auch ein Stück Kindheit dahin.
Struwwelpeter im 21. Jahrhundert
Der Struwwelpeter, einst von Heinrich Hoffmann als Kinderbuch geschrieben, etablierte sich als schauriger Pädagokigband, seine Protagonisten wie der Zappelphilipp, Hanns-Guck-in-die-Luft, der Daumenlutscher, Paulinchen, Friederich der Wüterich, Der Suppen-Kaspar und der Struwwelpeter selbst sind fast jedem bekannt, manch einer hat das Buch noch zuhause. Die Tiger Lillies schufen Ende der 90er daraus eine Junk-Oper.
Am Donnerstag Abend waren es wir Erwachsenen, die belehrt wurden, die absonderlichen Lehrmethoden ins 21. Jahrhundert transferiert, bekamen wir in einer Reihe von „Sensationen“ schonungslos vor Augen geführt, dass eigentlich nichts aus der Zeit Hoffmanns überholt ist. Das so sehr gewollte Kind kann Eltern überfordern und wie erziehe ich eigentlich richtig und es gibt immer jemanden, der es besser weiß.
Es hat etwas von einem Gruselfilm, wenn Peters Ebenbild -eine Handpuppe, Chucky nicht unähnlich- aber sonst ein Abbild des Struwwelpeters, die Erzählung übernimmt, denn es gibt keine Überlebenden bei der „zeitgemäßen Ernährung“, dem „Pausenhof-Mobbing“, beim „Eltern-Burnout“ oder beim „Drama des hochbegabten Kindes“. Die Drehbühne bewegt sich immer schneller und bietet uns einmal mal mehr einen schaurigen Einblick, untermalt von Moritatengesängen, die gut und gern aus der Dreigroschenoper entsprungen sein könnten. Die dreiköpfige Band „The Shockheads“ (Matthias Flake, Leo Henrichs und Pablo Liebhaber) intonierten die Musik der Tiger Lillies grandios.
„Lachen Sie!“, so fleht uns der Struwwelpeter fast an. „So lachen Sie doch!“ Es will nicht gelingen, das Lachen steckt mir im Hals, eigentlich möchte ich weinen aber dann gibt der filigrane Peter der Drehbühne einen erneuten Schubs und wir schnippsen im Takt und singen fast mit: „Die bösen, bösen Buben“.
Die Inszenierung ist Philipp Moschitz gelungen, sein Ensemble mit Laila Richter, Antonia Schirmeister, Sarah Wissner, Philippe Ledun und Ulrich Rechenbach zeigten alle Facetten ihres Könnens.
Genau EIN Klatsch
Wir haben gelernt: Ein Applaus ist genau EIN Klatsch. Wenn dem so ist, dann mache ich den einen Applaus gern 1.000 mal.
Das RLT spielt „Shockheaded Peter“ im eigenen Haus am 24. Januar 2020, ein Besuch lohnt sich, Karten gibt es online.