Diese Themen waren am 30. Dezember 2020 Gegenstand von Berichterstattung in der Presse.
Wendepunkt: Leitartikel von Friedrich Roeingh zum Jahreswechsel
Hoffentlich ist das bald alles vorbei! Mit einer so gleich gerichteten Erwartung hat Deutschland, hat Europa, hat die Welt wohl noch nie auf den Beginn eines neuen Jahres geschaut. Nicht mal im viel schlimmeren Kriegswinter 1944/45 und auch nicht zur Zeit der spanischen Grippe, die noch nicht in der Lage war, im selben Moment die ganze Menschheit als Geisel zu nehmen.
Die Vergleiche zeigen aber auch: Zwar begünstigt unsere Hyper-Mobilität die Ausbreitung von Pandemien in nicht gekannter Weise. Aber bei allen Beschränkungen unserer Freiheit, bei Wirtschaftseinbruch und sozialem Elend, bei hunderttausenden Todesopfern auf jedem einzelnen Kontinent gilt auch dies: Die Welt zeigt sich wesentlich fähiger als in der Vergangenheit, ein solches Elend zu begrenzen. Und die Wissenschaft erweist sich als enorm zielgerichtet – nicht nur bei der Entwicklung von Impfstoffen.
Auch wenn wir also auf ein Horrorjahr zurückschauen. Auch wenn sich die Erwartung nicht bewahrheiten kann, das alles möge bald einfach vorbei sein: Es gibt doch vielerlei Gründe, hoffnungsfroh auf diesen Jahreswechsel und hoffnungsfroh auf die zwanziger Jahre zu blicken. Auch wenn sie ganz anders gestartet sind, als wir erwartet haben. So hat die Pandemie – anders als häufig prognostiziert – nicht zu einer Destabilisierung der politischen Systeme geführt. Im Gegenteil. Der Populismus, dem Fakten egal sind, sieht mit einem Mal alt aus. Die Abwahl Donald Trumps, das Scheitern Boris Johnsons in der Pandemie, sein Einlenken, doch keinen harten Brexit zu wagen, sind positive Zeichen. Zugleich erweist sich die Europäische Union in der Krise als unverzichtbar. Der Wiederaufbaufonds über 750 Milliarden Euro begünstigt eine Weiterentwicklung der EU zur übergeordneten staatlichen Ebene. Eine Weiterentwicklung, die es genauso dringend im Angesicht der drohenden chinesischen Übermacht und zum Zerschlagen der weltumspannenden Datenmonopole der Tech-Konzerne braucht.
Eine weitere Erkenntnis aus 2020 sollte sich in unseren Köpfen eingebrannt haben: Ohne wissenschaftliche Begleitung, ohne technologischen Fortschritt ist Politik in der Jetztzeit nicht zu gestalten. Diese Erkenntnis war lange Zeit das Privileg der westlichen Industriestaaten, bis die KP-Autokraten in China dieses ehemals liberale Fortschrittsprivileg gekapert haben. So sind sie inzwischen auf dem besten Weg, Europa und die USA in technologischer, in wirtschaftlicher und sogar in gesundheitlicher Hinsicht zu überholen. Dass diese Herausforderung nicht mit nationalistischen Reflexen und nicht allein mit dem Loblied auf die Freiheit zu bestehen ist, hat das vergangene Jahr vor Augen geführt. António Guterres, der Generalsekretär der UN, hat die Eindämmung von Covid-19 als „eine Generalprobe für die Welt der kommenden Herausforderungen“ beschrieben.
Die alles beherrschende Herausforderung ist die Abwendung der Klimakatastrophe. Die weltumspannende Erfahrung mit der Pandemie eröffnet nach Jahren der Rückschläge ganz neue Perspektiven auf die Bewältigung dieser Menschheitsaufgabe. Nicht nur durch die vom künftigen US-Präsidenten versprochene Rückkehr der USA zum Pariser Klimaschutzabkommen. Schließlich wird auch unsere wirtschaftliche Prosperität davon abhängen, dass wir technologisch nicht länger China hinterherhecheln wie zuletzt bei der E-Mobilität. Auch das eine Art Erweckungserlebnis. Vor allem aber hat uns das Coronavirus gezeigt, dass die kollektiven Gefahren, denen die Menschheit im 21.Jahrhundert ausgesetzt ist, nicht abstrakt, sondern für jeden Einzelnen spürbar sind. Vielleicht noch gerade rechtzeitig. Dieses schreckliche 2020 sollte bei allen Verwerfungen Mut machen, menschengemachte Katastrophen aufhalten und abwenden zu können. Mit allen Mitteln, die Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur zur Verfügung stehen.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz – www.allgemeine-zeitung.de
Corona
Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu Corona-Zahlen
Auf den ersten Blick sieht die Entwicklung gar nicht so schlecht aus: Die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen geht im Wochenvergleich zurück. Doch um das Weihnachtsfest wurde rund ein Drittel weniger getestet als in den vergangenen Wochen.
Der gegenwärtige Lockdown hat die Dynamik der Pandemie allenfalls gebremst, eine echte Trendwende ist nur ansatzweise zu erkennen. Hinzu kommen die gelockerten Kontaktbeschränkungen über Weihnachten, durch die das Ansteckungsrisiko zeitweise wieder etwas höher war. Das dürfte sich im Abstand von rund zwei Wochen auch in der Neuinfektionsstatistik niederschlagen. Trotz der aktuell etwas niedrigeren Zahlen ist es absehbar, dass die Einschränkungen auch nach dem 10.Januar fortgesetzt werden.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten – www.stuttgarter-nachrichten.de
Oppositionspolitiker in NRW für Verlängerung des Lockdowns
Führende Politiker der SPD und der Grünen in NRW glauben nicht, dass der Lockdown schnell beendet werden kann. „Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, dass wir am 11. Januar einfach wieder zu normalen Verhältnissen zurückkehren“, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty der in Essen erscheinenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Donnerstagsausgaben). Kutschaty forderte erneut eine NRW-weite Test-Infrastruktur, um Infektionsketten unterbrechen zu können. Schulen dürften ab dem 11. Januar nicht „einfach so wieder zum Regelbetrieb übergehen“, mahnte der SPD-Politiker. Kleinere Lerngruppen seien nötig, Lehramtsstudenten könnten als „Lernbegleiter“ in den Schulen helfen. Kommunen mit sehr hohen Infektionszahlen benötigten mehr Hilfe von der Landesregierung.
Auch Mona Neubaur, Chefin der NRW-Grünen, erkennt bisher keine Hinweise auf eine Entspannung der Lage. „So bedauerlich es ist, werden wir um eine Verlängerung der Schutzmaßnahmen nicht herumkommen. Die Infektions-, vor allem aber die Todeszahlen sind auf einem erschreckend hohen Niveau. Das Gesundheitssystem steht weiter kurz vor dem Kollaps“, sagte Neubaur der WAZ. Sie forderte mehr Corona-Schnelltests in Risikobereichen. Zudem müsse die Kontaktnachverfolgung auch bei einem Inzidenzwert über 50 besser werden. „Dazu müssen wir die Corona Warn-App weiter entwickeln, und die Länder müssen mehr zur Entlastung der Gesundheitsämter tun.“
Schäuble: Dürfen Menschen in ärmeren Weltregionen den Impfstoff nicht wegschnappen
Bundestagspräsident warnt vor Impf-Nationalismus – „Richtig, dass Spahn den europäischen Weg gewählt hat“
Osnabrück. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Bundesregierung habe für Deutschland nicht genug Corona-Impfstoffdosen gesichert. „Ich kann die Kritik zwar nachvollziehen, aber ich halte sie dennoch für falsch“, sagte Schäuble im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). „Wir können unsere Ungeduld nicht zum Maß aller Dinge machen und den Menschen in ärmeren Weltregionen den Impfstoff wegschnappen.“
Angesichts der Impfstoffknappheit hatte unter anderen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) moniert, die Bundesregierung habe die Dringlichkeit der Impfstoffbestellung anfangs offenkundig unterschätzt. „Es war richtig, dass Gesundheitsminister Jens Spahn den europäischen Weg gewählt hat und wir in Europa gemeinsam vorgehen“, sagte Schäuble dazu. In der Krise wachse die EU zusammen, das sei „enorm ermutigend“, so der Bundestagspräsident und CDU-Politiker.
„Die Krise überwinden wir nur mit Solidarität, in Europa und auch darüber hinaus“, mahnte Schäuble mit Blick auf Warnungen, es bleibe nicht genug Impfstoff für ärmere Regionen. So geht die Caritas davon aus, dass in 70 ärmeren Ländern kommendes Jahr nur zehn Prozent der Bevölkerung geimpft werden können, weil sich die entwickelten Länder den Großteil der Kapazitäten bereits gesichert hätten.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung – www.noz.de
WESTFALEN-BLATT: Kommentar zur Yougov-Umfrage „Corona im Jahr 2021“
Man kann es für typisch deutschen Pessimismus halten. Aber die Ergebnisse der Umfrage zeugen von etwas anderem: von einem unverstellten Blick auf die Wirklichkeit in Deutschland Ende 2020. Die Leute wissen ziemlich genau, was los ist und was sie erwartet.
Es stimmt, dass man sich in dieser Pandemie nicht viele Staaten vorstellen kann, in denen man sich derzeit sicherer und besser aufgehoben fühlt als hier bei uns. Israel vielleicht, wo im Rekordtempo geimpft wird und sich Deutsche fragen lassen müssen, warum der im eigenen Land entwickelte Biontech-Impfstoff nicht binnen kürzester Zeit in ausreichendem Maße für die eigene Bevölkerung zur Verfügung steht.
Vielleicht fielen die Umfragewerte noch negativer aus, wenn die Meinungsforscher jetzt nach dem – gelinde gesagt: holprigen – Impfstart ihre Fragen stellten.
Was könnte uns zu Beginn des zu erwartenden Corona-Jahres 2021, das nebenbei ein Superwahljahr ist, optimistisch stimmen? Wenn nach dem Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten am 5. Januar schemenhaft die Ansätze einer Strategie erkennbar wären.
Quelle: Westfalen-Blatt – www.westfalen-blatt.de
Welt
Chinas Störaktion
Nach neun Jahren ist das Wirtschaftsabkommen fertig geworden. Doch der vermeintliche Erfolg spielt vor allem China in die Hände. Peking hatte es so eilig mit dem Vertragsabschluss, weil die EU und die USA unter Joe Biden wieder näher zusammenrücken werden. Die westlichen Länder könnten jedoch viel weitergehende Zugeständnisse verlangen. Jetzt werden EU-Firmen dort besser behandelt als amerikanische. Zugleich ist der Wert der vermeintlichen Zugeständnisse fraglich. Die EU wünscht sich, dass Zwangsarbeit verhindert wird und Menschenrechte gewahrt werden. Diese Bedingung ist für Peking ganz leicht zu erfüllen. Nach eigener Lesart ist China ein lupenreiner Rechtsstaat. Ein Investitionsschutzabkommen ist die Vorstufe für Freihandel. Der Vertrag ist schon seit 2003 im Gespräch. Aber China ist nicht mehr das auf Wirtschaft fixierte Schwellenland von damals, sondern eine Großmacht mit der Ambition, seinen Einfluss auszudehnen und möglichst einen Keil zwischen die USA und die EU zu treiben.
Quelle: Frankfurter Rundschau – www.fr.de
MZ zu EU und China
Es ist eine gute Nachricht, dass China, dessen ökonomische und politische Macht im Corona-Jahr 2020 beträchtlich wuchs, sich zumindest handelspolitisch offener zeigt denn je. Der eigentliche Deal des Jahrhunderts wäre aber ein Handelsabkommen zwischen USA, EU und China. Ein solches Mega-Abkommen könnte den ganzen Globus auf neue und hoffentlich faire und ökologisch kluge Art vernetzen. Europa hat gute Vorarbeit für eine regelbasierte Welt geleistet.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung – www.mz-web.de
Kommentar zur Aufhebung des Abtreibungsverbots in Argentinien: Fortschritt trotz Kirche
Es ist eine historische Entscheidung: Der argentinische Senat erlaubt Schwangerschaftsabbrüche. Das Thema polarisierte die überwiegend römisch-katholische Bevölkerung. Deutlich wurde auch, dass die Kirche und der argentinische Staat nicht klar genug getrennt sind.
Denn die argentinische katholische Kirche hatte sich zunehmend eingemischt. Der Bischof Oscar Ojea, Präsident der örtlichen Bischofskonferenz und Abtreibungsgegner, appellierte an die Abgeordneten; ein Nein zu dem Gesetz würde auch von Medizin und Recht unterstützt. Und selbst der aus Argentinien stammende Papst Franziskus sprach sich öffentlich gegen die Legalisierung aus. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche verglich Abtreibungen sogar mit Auftragsmorden. Ein Schwangerschaftsabbruch sei „wie jemanden zu beseitigen“.
Doch der Kirche steht es nicht zu, sich derart aggressiv in öffentliche und politische Diskussionen einzumischen. Und ihre Macht schwindet, wenngleich 92 Prozent der Argentinier*innen sich mit dem katholischen Glauben identifizieren. Vor zwei Jahren war ein ähnlicher Gesetzestext zu Abbrüchen vom Senat unter dem Druck der katholischen Kirche abgelehnt worden. Daraufhin kam es zu einem Massenaustritt, bei dem rund 5000 Katholik*innen aus Protest ihre Mitgliedschaft in der Kirche beendeten.
Damit beweist Argentinien als tief katholisches Land auch, dass es mit Frauenrechten nicht so enden muss wie beispielsweise in Polen. Denn grundlegend gilt: Schwangerschaftsabbrüche wird es so lange geben, wie es ungewollte Schwangerschaften gibt. Wenn das nationale Recht sie verbietet, werden sie trotzdem stattfinden, illegal und für Betroffene unsicher. Nach über 15 Jahren Kampf und trotz lauter Kirche ist den Argentinier*innen nun Großes gelungen.
Quelle: neues deutschland – www.neues-deutschland.de
Europa
MZ zu EU und Ratspräsidentschaft
Am Ende dieses Jahres besteht vielleicht das größte Verdienst der Gemeinschaft darin, dass weiter alle zusammengehalten haben. Drohende Worte wegen mangelnder Solidarität aus dem Süden sind verklungen. Eine Union, in der es keine Verlierer gibt, verkraftet das gut, wenn sich auch niemand als strahlender Gewinner präsentiert. Niemand hätte der EU zugetraut, am Ende dieses Jahres fast alle großen Baustellen abgeräumt zu haben. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wählte nach dem letzten EU-Gipfel, als sie die Ergebnisse als „Meilenstein für Europa und unseren Planeten“ bezeichnete, große Worte. Etwas weniger Pathos hätte auch gereicht, um festzustellen, dass die EU im neuen Jahr an die Arbeit gehen kann.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung – www.mz-web.de
Deutschland
Hunderte Klassen in Sachsen-Anhalt in einzelnen Fächern ohne Noten
In Sachsen-Anhalt gibt es offenbar hunderte Klassen, die aufgrund des Lehrermangels in einzelnen Fächern keine Zeugnisnoten bekommen. „Das Problem verschärft sich“, sagte Linken-Fraktionschefin Eva von Angern der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Mittwoch-Ausgabe). Das Bildungsministerium unter Marco Tullner (CDU) habe die genauen Zahlen bisher nicht geliefert, obwohl Landtagsabgeordnete ein verbrieftes Frage- und Auskunftsrecht gegenüber der Landesregierung haben. Mit einer Klage vor dem Landesverfassungsgericht wolle Sachsen-Anhalts Linksfraktion das Bildungsministerium nun zu voller Transparenz zwingen, so von Angern weiter. Eingereicht wurde die Klage von Co-Fraktionschef Thomas Lippmann, ein Urteil wird im Februar 2021 erwartet. Tullner hält nach eigenen Angaben den Aufwand für Behörden und Schulen zur Beantwortung für zu hoch und nicht vertretbar.
Der Linksfraktion liegen bereits vorläufige Zahlen des Landesschulamts vor, die zumindest ausschnittweise die Lage in 63 Gemeinschafts- und Sekundarschulen zeigen: Demnach mussten im Februar 2020 in 498 Schulklassen vereinzelt Leerstellen im Zeugnis bleiben, im Jahr zuvor waren noch 310 Klassen betroffen. Unter den nicht-erteilten Fächern waren in Einzelfällen auch Mathematik, Biologie und Geschichte. Auch Musik, Kunst, Astronomie und Physik waren betroffen – unter Umständen sind diese Fächer besonders problematisch. Denn ein Lehrerausfall kann in diesen Fällen mit einem Schlag sehr viele Schüler betreffen. Einen soliden landesweiten Überblick erlauben diese Zahlen indes nicht, es fehlen unter anderem Gymnasien und Grundschulen.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung – www.mz-web.de
Ärztemangel in Sachsen-Anhalt verschärft sich
In Sachsen-Anhalt sind derzeit knapp 300 Hausarztstellen unbesetzt. „Bis zum Jahr 2032 kommen etwa 260 hinzu“, sagte der scheidende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalts (KV), Burkhard John, der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Mittwoch-Ausgabe). „Wir sind froh, dass viele ältere Kollegen noch arbeiten“, betonte er. 179 Haus- und 197 niedergelassene Fachärzte hätten das 65. Lebensjahr bereits überschritten und arbeiteten dennoch weiter. „Wären die auf einen Schlag weg, wäre es ein Drama“, so John.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung – www.mz-web.de
SPD in NRW für abgespecktes Abitur
Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, hat sich dafür ausgesprochen, die Anforderung an die Abiturprüfungen im Jahr 2021 wegen der durch Corona bedingten Unterrichtsausfälle abzuspecken. „Wenn weiterhin wegen der Pandemie viel Unterricht ausfällt, muss es auch Abstriche bei den Anforderungen an das Abi 2021 geben“, sagte Kutschtay dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe). „Wir haben dann ja sozusagen einen Jahrgang mit einem Abitur G 7,5“, fügte der SPD-Politiker hinzu. Es wäre „unfair“, wenn Schüler, bei denen viel Unterricht ausgefallen ist, die gleichen Prüfungen ablegen müssten, wie an Schulen, in denen es weniger Ausfall gegeben habe. „Wichtig ist vor allem, dass das Abitur auch von allen Bundesländern anerkannt wird“, sagte Kutschaty.
Polizei sucht bundesweit nach 475 untergetauchten Rechtsextremisten
Linke kritisiert: „Regierung nimmt Neonazi-Problem nicht ernst genug“
Osnabrück. In Deutschland sind 475 Rechtsextremisten auf freiem Fuß, obwohl per Haftbefehl nach ihnen gesucht wird. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) vorliegt. Da es häufig um mehrere Delikte geht, sind insgesamt 627 Haftbefehle offen. Die Zahl ist deshalb brisant, weil zumindest bei einigen terroristische Untergrund-Aktivitäten vermutet werden wie etwa bei der rechtsextremen Gruppe des NSU, die zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordete.
Seit Beginn der Erhebung 2014 ist die Zahl deutlich gestiegen. Damals waren nur 253 Rechtsextremisten zur Fahndung ausgeschrieben. Als Grund gelten die zahlreichen Angriffe auf Asylbewerberheime nach der Flüchtlingskrise 2015.
Zumeist fahndet die Polizei nach den Rechtsextremisten wegen Gewalttaten (125 Personen), etwa Körperverletzung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. 109 Verdächtige werden wegen eines politisch motivierten Delikts – etwa Volksverhetzung, Beleidigung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – gesucht, einer wegen eines Terroraktes.
Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden halten sich 58 Extremisten mutmaßlich im Ausland auf, vor allem in EU-Ländern – die meisten davon in den Nachbarländern Österreich und Polen.
Mit Blick auf die Zahlen kritisierte die Innenexpertin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke: „Insgesamt drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Bundesregierung das Nazi-Problem noch immer nicht ernst genug nimmt.“
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung – www.noz.de
Wirtschaft und Finanzen
Mutmaßlicher Windkraftbetrüger: Gericht stellt Verfahren ein – Gefängnisstrafe hinfällig
Teilerfolg für Holt nach Verurteilung in Meppen – Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein
Osnabrück. Der mutmaßliche Windkraftbetrüger Hendrik Holt hat vor dem Landgericht Osnabrück einen juristischen Teilerfolg erzielt: Wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet, hat die 7. Kleine Strafkammer ein Verfahren gegen den Jungunternehmer eingestellt, in dem er im Oktober noch zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war. Holt soll einen Grundstücksmakler und einen Notar sowie ein Unternehmen aus dem Windenergiesektor um insgesamt etwa 600.000 Euro betrogen haben. Der 30-Jährige bestritt die Vorwürfe in einer Verhandlung vor dem Amtsgericht in Meppen und ging gegen die Verurteilung in Berufung.
Die Richter der nächsten Instanz stellten nun fest, dass „keine wirksame Anklageschrift der Staatsanwaltschaft“ vorliege, bestätigte ein Sprecher des Landgerichts der „NOZ“. Die Richter hielten unter anderem fest, dass Holt den Vertrag mit dem Düsseldorfer Unternehmen gar nicht selbst unterschrieben habe. Die Argumente der Staatsanwaltschaft dafür, dass Holt dennoch hinter dem mutmaßlichen Betrug stecke, überzeugten die Richter nicht. Sie stellten das Verfahren deswegen gänzlich ohne weitere Verhandlung ein. „Das Urteil aus erster Instanz entfaltet in einem solchen Fall keine Wirkung mehr“, zitiert die „NOZ“ einen Sprecher des Landgerichts.
Die Staatsanwaltschaft teilte auf Anfrage mit, man habe zumindest gegen Teile des Einstellungsbeschlusses sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht in Oldenburg eingereicht. Eine Entscheidung stehe noch aus. Holts Anwalt Thomas Klein zeigte sich indes zufrieden mit der Einstellung. Er sagte der „NOZ“: „Die Staatsanwaltschaft hätte sich besser auf die wesentlichen und eingestandenen Vorwürfe konzentrieren und zügig anklagen sollen, statt einen strittigen Nebenkriegsschauplatz beim Amtsgericht Meppen zu eröffnen.“
Wegen der hauptsächlichen Vorwürfe sitzt Holt nach seiner Festnahme im April weiter in Untersuchungshaft. Er soll gemeinsam mit anderen Beschuldigten mindestens fünf Unternehmen aus dem Windenergiesektor um mehr als zehn Millionen Euro betrogen haben. Mittels mehr als 1000 gefälschter Unterschriften sollen Geschäftspartner bewusst über die Realisierbarkeit von Windpark-Projekten in Deutschland getäuscht worden sein. Holt hatte diese Vorwürfe bei einer Vernehmung Ende November eingeräumt, berichtete die „NOZ“. Die Ermittler bewerten die Einlassung als glaubhaft. Im Frühjahr 2021 soll zumindest in Teilkomplexen des umfangreichen Verfahrens Anklage erhoben werden.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung – www.noz.de
Westfalen-Blatt: Millionenbuße für Insiderhandel mit Gerry-Weber-Aktien
Wegen strafbaren Insiderhandels mit Aktien des Modekonzerns Gerry Weber (Halle/Westfalen) im Januar 2019 müssen vier Männer aus dem Raum Braunschweig hohe Geldbußen zahlen. Das berichtet das in Bielefeld erscheinende Westfalen-Blatt. Sie hatten nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Wissen um den seinerzeit bevorstehenden Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gewinnbringend eingesetzt. Gegen Zahlung von Geldauflagen zwischen zwei Millionen und 5000 Euro sollen die Strafverfahren eingestellt werden. Andernfalls drohen den Beschuldigten bis zu fünf Jahre Haft.
Der Haller Damenmodekonzern befand sich damals in schweren finanziellen Turbulenzen. Im Herbst 2018 hatte er ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben, im November stundeten Banken ihre Forderungen bis Ende Januar 2019. Bis dahin sollte ein Finanzierungskonzept auf die Beine gestellt werden. Die Verhandlungen standen vor dem Scheitern – und diese Information sickerte offenbar zu den vier Männern (69/71/28/28) durch.
Die Finanzaufsicht Bafin ging den auffälligen Kursbewegungen im Vorfeld der am Mittag des 25. Januar verbreiteten Pflichtmitteilung des Konzerns zum Insolvenzantrag nach. Infolge der Nachricht war der Aktienkurs abgestürzt. Die Behörde erstattete schließlich Strafanzeige, die Staatsanwaltschaft Braunschweig übernahm den Fall. Im August 2019 folgten Hausdurchsuchungen. Dabei seien als Beweismittel vor allem Datenträger sichergestellt worden, erklärt Erster Staatsanwalt Christian Wolters. Deren Auswertung konkretisierte den Verdacht.
Die Staatsanwaltschaft wirft zwei Beschuldigten unter Nutzung ihres Insiderwissens den Verkauf zuvor gehaltener Aktien am 24. und 25. Januar 2019 zur Vermeidung von Kursverlusten vor. Konkret geht es um einen 69-jährigen Depotinhaber aus Braunschweig und seinen 71-jährigen Bevollmächtigten. Durch den frühzeitigen Verkauf sei ein Verlust von 1,2 Millionen Euro vermieden worden, erklärt Wolters. Neben der Abschöpfung dieses Vorteils muss der Depotinhaber rund 800.000 Euro Geldbuße zahlen. Der Bevollmächtigte soll 5000 Euro zahlen.
Die beiden anderen, jeweils 28 Jahre alten Männer hätten am 24. und 25. Januar Put-Optionsscheine auf Aktien des Modekonzerns gekauft – und so auf fallende Kurse gewettet. Die Papiere verkauften sie kurze Zeit später gewinnbringend. Einer der beiden soll neben dem Gewinn von 14.000 Euro weitere 16.000 Euro Buße zahlen, der andere den Erlös von 13.000 Euro.
Zahlen die vier Beschuldigten die von der Staatsanwaltschaft Braunschweig mit Zustimmung des Landgerichts verhängten Strafen bis Ende Mai, werden die Strafverfahren endgültig eingestellt und gelten die Männer weiterhin als nicht vorbestraft. Andernfalls drohen ihnen in Prozessen bis zu fünf Jahre Haft. Wie Wolters berichtet, sind erste Zahlungen der Beschuldigten aber bereits eingegangen. Während der auf die Vermögensvorteile durch den Insiderhandel entfallende Teil der Geldauflagen in die niedersächsische Landeskasse fließt, kommen die Geldbußen verschiedenen gemeinnützigen Einrichtungen zugute.
Der Modekonzern ist nach dem vor Jahresfrist abgeschlossenen Insolvenzverfahren inzwischen zurück an der Börse. Im November 2019 waren die Altaktionäre ohne Entschädigung ausgeschlossen worden und drei Finanzinvestoren als neue Eigentümer eingestiegen.
Quelle: Westfalen-Blatt – www.westfalen-blatt.de