Deutschland
Die Nöte der Erklär-Kanzlerin
Am Ende ihrer langen Amtszeit muss Merkel beweisen, dass sie die tiefste Krise meistern kann. Ohne die Menschen mitzunehmen, geht das nicht. Von Reinhard Zweigler.
Wenn Politik wirklich das Bohren harter Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß ist, wie der Soziologe Max Weber vor über 100 Jahren befand, dann liegt vor Angela Merkel am Ende ihrer letzten Amtszeit ein besonders hartes Stück Holz. Die tückische Corona-Pandemie fordert die Langzeit-Kanzlerin wie keine der großen Krisen in ihrer Regierungszeit zuvor, egal ob es sich um die Finanzkrise der Jahre 2008/09 oder die im Sommer 2015 eskalierende Flüchtlingskrise handelte. Und Merkel ist gewillt, sich dieser Herausforderung in preußisch-protestantischer Pflichtauffassung „bis zum letzten Tag“ zu stellen. Wer immer Merkels Nachfolger im Kanzleramt werden wird, ob Laschet oder Söder, er wird sich am hohen Merkel-Standard messen lassen müssen.
Doch seit die Pandemie immer neue Kapriolen schlägt, seit noch heimtückischere Mutationen des Corona-Virus auftauchen, seit Lockdown-Verlängerung auf Lockdown-Verlängerung und Verschärfung auf Verschärfung folgt, bekommt es die Regierungschefin mit einem wuchernden Problem zu tun: Das Vertrauen in die längst nicht alternativlose Regierungspolitik schwindet und damit die Akzeptanz der Maßnahmen. Doch das kann genauso gefährlich sein wie das Corona-Virus selbst. Denn ohne die Menschen, zumindest ohne eine große Mehrheit von ihnen, mitzunehmen, verpuffen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie weitgehend. Angela Merkel, die nie eine große, schwungvolle Rednerin war und wohl auch nicht mehr sein wird, muss notgedrungen zur Erklär-Kanzlerin werden. Sie tut das jetzt, da es buchstäblich ums Leben geht, mehr als in den Krisen zuvor.Dass Merkel nach zig stundenlangen Verhandlungsrunden mit Ministerpräsidenten – Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sind ihre Dauerpartner – mit eher spröden Erklärungen vor die Presse tritt, ist das eine. Auftritte im Bundestag, im Frage-Antwort-Spiel vor der Bundespressekonferenz oder in Videobotschaften sind die andere Seite.Was Merkels Auftreten derzeit vielleicht etwas einfacher macht, ist, dass sie frei vom Druck des Wieder-gewählt-werden-Müssens auftreten kann. Sie kann so eher auch die Fehler, Fehleinschätzungen, die es in den vergangenen zwölf Monaten im Zusammenhang mit Corona zuhauf gegeben hat, einräumen – aber auch den Kurs verändern, korrigieren, Fehlentwicklungen entgegentreten. Das Regieren ist, zumal in Krisenzeiten, ein lernendes System. Die Kunst besteht nicht darin, keine Fehler zu machen – das ist von der Natur der komplizierten Sache her unmöglich – , sondern Fehler möglichst kleinzuhalten. Und wenn man doch einmal falschlag, sofort wirksam gegenzusteuern. Der wissenschaftliche Hintergrund der einstigen Physikerin kommt der Kanzlerin bei der jetzigen Herausforderung offenbar zugute.
Merkel und die anderen verantwortlichen Politiker können dabei nicht einfach nur auf die Wissenschaft hören, weil es in der wissenschaftlichen Debatte durchaus unterschiedliche, bisweilen widerstreitende Standpunkte und Erkenntnisse gibt. Es gibt auch keine Diktatur von Virologen, die der Politik immer neue Zumutungen für die Bevölkerung einflüstern, wie manche Corona-Leugner glauben. Merkel und Co. sind gefordert, aus den vielen Erkenntnissen und Ratschlägen von Wissenschaftlern konkrete Politik zu machen. Und das ist verdammt schwer. Zumindest zu einem Versprechen hat sich Merkel gestern jedoch hinreißen lassen: Bis zum 21. September solle jeder/jede, der/die es wünscht, ein Impfangebot bekommen. Das ist übrigens genau fünf Tage vor der Bundestagswahl, zu der Merkel allerdings nicht mehr antritt.
Quelle: Mittelbayerische Zeitung – www.mittelbayerische.de
Nordrhein-Westfalen
NRW-Behörden haben fast 230 Gefährder im Blick
In NRW zählen die Sicherheitsbehörden insgesamt 227 sogenannte Gefährder. Das teilte das NRW-Innenministerium der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen (Donnerstagsausgabe) mit. Die meisten davon werden dem islamistischen Spektrum zugeordnet (stand 31. Dezember 2020). Insgesamt 201 Personen werden demnach im Phänomenbereich „Religiöse Ideologie“ (Islamistischer Terrorismus) als Gefährder eingestuft. Allerdings gilt nur eine hohe zweistellige Anzahl dieser Personen als „aktionsfähig“. Hinzu kommen 19 rechtsextreme Gefährder. Sieben Gefährder weisen eine ausländische Ideologie auf. Im Bereich Linksextremismus werten die Behörden keine Person als Gefährder.
Quelle: Neue Westfälische (Bielefeld) – www.nw.de
Wirtschaft
Homeoffice: DGB befürchtet Probleme bei Kontrollen
Hoffmann drängt auf spürbare Sanktionen bei Regelverstößen
Osnabrück. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) befürchtet Probleme bei der Durchsetzung der neuen Rechtsverordnung zum Homeoffice. DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Es ist eine Schwachstelle, dass es nicht ausreichend Personal gibt, um die Einhaltung der Homeoffice-Regeln und des Arbeitsschutzes zu kontrollieren.“
Hoffmann beklagte, der Mangel an Kontrolle sei schon seit Jahren ein Problem. Man erinnere sich nur an den Missbrauch beim Mindestlohn. „Da ist die Grauzone nach meiner Einschätzung größer als das, was erfasst wird. Und die Kontrolleure stoßen jetzt unter den Bedingungen der Corona-Pandemie erst recht an ihre Grenzen.“
Der Gewerkschafter fügte hinzu: „Soll der Kampf gegen die Pandemie glaubwürdig sein, brauchen wir bei massiven Verstößen gegen Arbeitsschutz- und Homeoffice-Regeln auch spürbare Sanktionen.“ Arbeitgeber, die nicht willig seien, der Lage entsprechend mitzumachen, würden sich dann dreimal überlegen, ob sie dieses Risiko eingehen.
Hoffmann wies zugleich Kritik aus dem Lager der Arbeitgeber zurück. Er betonte: „Das Signal ist klar: Alle Arbeitgeber müssen da, wo es möglich ist, auch tatsächlich Homeoffice ermöglichen. Sie dürfen das nicht länger mit dem Argument verweigern, sie verlören die Kontrolle über die Arbeitskraft. Das sind völlig antiquierte Vorstellungen.“ Es gehe auch nicht um bürokratischen Aktionismus, wie Funktionäre der Arbeitgeber behaupteten, „sondern es geht um einen wirksamen Schutz von Beschäftigten“.
Hoffmann forderte zudem, da, wo Arbeitnehmer nicht im Homeoffice arbeiten könnten, müssten die Arbeitgeber ein sicheres Arbeiten im Betrieb und in der Verwaltung sicherstellen. Er betonte: „Die Corona-Arbeitsschutzregelungen sind eine gute Grundlage. Da, wo wir Betriebs- und Personalräte haben, klappt das mit der Einhaltung dieser Regeln relativ gut, in kleinen und mittleren Unternehmen aber häufig nicht. Dort werden immer noch viel zu viele Beschäftigte unnötigen Infektionsrisiken ausgesetzt.“
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung – www.noz.de
IT-Misere muss gelöst werden
Kommentar von Isabell Jürgens zu Berliner Behörden und der Baubranche
Es sind schon beachtliche Zahlen, die die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vorgelegt haben. Sie sind, das bescheinigt ihnen eine wissenschaftliche Studie, nicht nur direkter Arbeitgeber für 4000 Berliner, sondern sichern indirekt, über Aufträge besonders an Handwerk und Bauunternehmen, 30.000 Arbeitsplätze in der Region. Von den knapp drei Milliarden Euro, die sie 2019 ausgegeben haben, landeten 90 Prozent in Berlin und Brandenburg. Doch er könne seine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass dies auch in Zukunft so bleibe, sagte Gesobau-Chef Jörg Franzen bei der Vorstellung der Studie. Denn oberste Voraussetzung dafür sei eine stabile wirtschaftliche Basis und die Zuarbeit der Behörden bei Neubau- und Sanierungsvorhaben. Und daran hapert es gerade auch in Pandemie-Zeiten gewaltig.
Dass Berlins Planungs-, Vergabe- und Genehmigungsbehörden – wie viele andere Ämter in der Stadt – in puncto Digitalisierung auch knapp zwei Jahre nach dem 2019 verabschiedeten „Zukunftspakt Verwaltung“ immer noch größtenteils mit Papierakten unterwegs sind und/oder von außen keinen Zugriff auf das Landesnetz haben, lässt für die kommenden Wochen Schlimmes ahnen, wenn ab Montag die Pflicht zum Homeoffice gelten soll. Auch wenn Verwaltungen, in denen die Arbeit vom heimischen PC nicht möglich ist, von der Pflicht ausgenommen sein sollen, droht hier zumindest Schichtbetrieb und damit eine weitere Reduzierung der Leistungsfähigkeit. Und die war schon zuvor erheblich eingeschränkt.
Die geschrumpfte Auftragslage in der Baubranche, die das Statistische Landesamt in dieser Woche gemeldet hat, ist ein deutliches Warnzeichen. Besser und nachhaltiger als jede Corona-Hilfe wäre eine Lösung der IT-Misere in Berliner Amtsstuben.
Quelle: Berliner Morgenpost – www.morgenpost.de