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„Was ist denn da wohl falsch gelaufen?“

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Das Verhalten rechtsradikaler Politiker war ein Thema des runden Tisches von Remscheid Tolerant.

Der runde Tisch für Muslime, Juden und Christen, der in der vergangenen Woche zum zweiten Mal im Bürgerhaus-Süd an der Auguststraße stattfand, blieb eine minimalistische Veranstaltung. Nicht ohne Grund: Zeitgleich fanden Vorstands- bzw. Fraktionssitzungen der politischen Parteien statt, die im Normalfall immer und gerne den Verein Remscheid Tolerant unterstützen. Außerdem wollte ein störrischer Computer nicht so wie die Einladenden und verschickte den Hinweis auf den runden Tisch verspätet, in manchen Fällen auch gar nicht.

Trotzdem war das anwesende Trio nicht untätig: Berufsschullehrer und Pfarrer Andreas Artschwager, der zweite Vorsitzende des Vereins Sascha von Gerishem sowie der ebenfalls bei Remscheid Tolerant aktive Arthur Herzog improvisierten ein Gespräch, indem einige sensible Themen aufgenommen, viele Möglichkeiten und Gedanken diskutiert und auch das – höflich ausgedrückt – völlig gedankenlose und unverständliche Gebaren von rechtsextremen Politikern angesprochen wurde. Eine trotz geringer Teilnehmerzahl hoch interessierte Gesprächsrunde.

Schnittpunkte erkunden

„Woran sind Menschen interessiert?“ – „Wo gibt es Berührungspunkte zwischen den Religionen?“ – „Kann man einen gemeinsamen Nenner herstellen?“ Das waren nur drei der Fragen, die das Trio ansprach. Von einzelnen herauszunehmenden Punkten sprach Sascha von Gerishem das gemeinsame Kochen und Essen an. „Dadurch lernen sich unterschiedliche Menschen sehr gut kennen“, sagte er, „und zwar nicht nur den Menschen, sondern auch dessen Kultur. Natürlich muss man Einiges bedenken: Ein Christ isst Schweinefleisch, ein Muslim eben nicht, jüdische Menschen bevorzugen koscheres Essen. Dann macht man eben etwas Vegetarisches, das mögen alle.“

Einig waren sich die Drei, dass persönliche Erfahrungen das Bild des Gegenübers prägen. Obwohl Arthur Herzog über keine persönlichen Erfahrungen mit Juden verfügt, hält er die Freundschaft zwischen Juden und Muslimen für wichtig. „Es gibt mehr, was die Menschen verbindet als das, was sie trennt.“ Und wenn die Menschen das verstünden, dann könnte man auch – so Herzog – eine andere Meinung aushalten.

Andreas Artschwager warf das Thema Minderheiten zur Diskussion auf den Tisch. „Ich als Christ habe auch schon in Vierteln gewohnt, in denen ich die Minderheit war“, berichtete er, „Viertel, in denen alle Bewohner Ramadan hatten und ich auf dem Balkon gegrillt habe. Eine Minderheit will immer die Identität bewahren, das ist menschlich. Es geht auch nicht um Ramadan oder Grillen: Es geht um die Akzeptanz des Anderen. In Sarajewo oder Damaskus, da funktioniert das sehr gut, weil dort Menschen unterschiedlichen Glaubens schon sehr lange Zeit direkt nebeneinander wohnen. Dort laden sich auch unterschiedliche Gläubige ein und feiern als Christen mit den Muslimen oder anders herum.“

Zusammenhalt vor Ort stärken

Wie von Gerishem anregte, könnte der neu geschaffene Quartierstreff in Klausen die Aufgabe, Menschen zusammenzubringen, sehr gut leisten. „Die haben auch eine Küche.“ Und Fragen könnten der Anfang einer Freundschaft sein, fügte er an. „Einfach mal Menschen muslimischen Glaubens fragen: Was ist das denn, das Zuckerfest? Kann ich da mitmachen?“

Wie Andreas Artschwager weiß, kann man ohne Weiteres Moscheegemeinden ansprechen, ob man nicht – auch als Christ – zum Fastenbrechen eingeladen werden könnte. „Und in der Regel machen die das sehr gerne. Man könnte auch – vielleicht im nächsten Jahr, wenn sich die Daten vom Ende des Ramadan und dem Weihnachtsfest angleichen – mit allen drei abrahamitischen Religionen zusammen feiern.“

„Na, ob das klappt?“ zweifelte von Gerishem. „Es klappt ja schon mit der Ökumene nicht so dolle.“

„Natürlich müssen Menschen im Zentrum stehen, die bereits eine innere Toleranz haben“, gab Artschwager zurück, „das ist schon wichtig.“ Er führte das Beispiel von jüdischen Menschen auf, die sich durch die Intoleranz mancher Mitbürger nicht mehr trauen würden, durch ihre Kleidung auf ihre Religion hinzuweisen oder sie einfach nur auszudrücken.“

„Ein ganz wichtiger Punkt“, fand Sascha. „Und auf der anderen Seite gibt es den NPD-Funktionär, der sich rassistische Sprüche auf den Rücken tätowieren ließ und mit freiem Oberkörper ins Schwimmbad ging. Da fragt man sich schon: Was ist denn da wohl falsch gelaufen? Bei der Öffnung der Grenzen, beim Fall der Mauer, da dachte man noch: Fein, das geht auch ohne. Und dann so etwas“, schüttelt von Gerishem den Kopf über die Dummheit so mancher Zeitgenossen.

Arthur Herzog wies darauf hin, dass es in Köln einen Arbeitskreis gäbe, in dem die drei Religionen ohne Probleme zusammenarbeiten. „In Wuppertal gibt es das leider nicht.“

Im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren veränderte Situation in den Schulen gab Andreas Artschwager zu bedenken:“ Ja, durch das Zunehmen von Schülerinnen und Schülern, die nicht aus Deutschland stammen, haben sich die Gegebenheiten geändert. Aber haben sich die Menschen auch verändert?“ Er glaube das nicht, denn immer sei Angst der Auslöser von Diskriminierung.

Der nächste runde Tisch von Remscheid Tolerant soll im Herbst stattfinden. Und wenn alle Computer mitspielen und die Parteimitglieder vielleicht alle einen freien Tag haben, dann auch gerne wieder in größerer Runde.

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