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Remscheid

4.000 Tage

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Eine ernste Komödie von Peter Quilter, Regie Boris Aljinovic, Produktion EURO-STUDIO Landgraf.

Was bleibt von uns, wenn wir ohne Erinnerung sind?

Eine schreckliche Vorstellung, und was passiert, wenn man unsere Erinnerungen manipuliert?

Michael (Matthias Happach) liegt nach einem Unfall drei Wochen im Koma, liebevoll umsorgt von seiner Mutter Carola (Mona Seefried) und seinem Lebenspartner Paul (Mathias Herrmann), die sich leidenschaftlich hassen. Während für Paul die Beziehung zu Michael verklärend rosarot ist, hat Carola ihm nie verziehen, dass er Michael auf „sein gnadenlos langweiliges Niveau  herabgezogen hat“. Michael hatte nämlich für Paul sein künstlerisches Schaffen aufgegeben und einen Job bei einer Versicherung angenommen und mit seinem Partner 11 Jahre nach Carolas Ansicht „ein Leben in einer Sackgasse“ geführt.

Und dann wacht Michael auf und die Erinnerung an genau diese 4.000 Tage sind weg, die Beziehung hat es nie gegeben und Michael ist wieder der Künstler, der er war, zwar elf Jahre älter, aber ohne Erfahrungen und Eindrücke dieser Zeit dazwischen. Das Spiel beginnt um die Deutungshoheit. Kann Carola die Zeit zurückdrehen und ihren Michael wieder so unter ihre Fittiche nehmen, wie er vor elf Jahren war? Paul gibt seinem Liebsten mit Hilfe von Zeitungen aus den Archiven zwar einen Schnelldurchlauf durch 4.000 Tage Zeitgeschehen, jedoch die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Jahre frischt er auf mit Fotos aus glücklichen Tagen und gaukelt damit nicht nur sich selber vor, es wäre alles eitel Sonnenschein gewesen.

Chaos im Kopf

Schon künstlerisch chaotischer im Krankenzimmer: Mona Seefried, Mathias Herrmann und Matthias Happach. ©Tom Philippi
Schon künstlerisch chaotischer im Krankenzimmer: Mona Seefried, Mathias Herrmann und Matthias Happach. ©Tom Philippi

Und Michael? Der weiß plötzlich, dass er gar nichts mehr weiß und findet damit für sich selber einen Ausweg. Das Chaos in seinem Kopf verarbeitet er, indem er das sterile Krankenzimmer in ein mehr oder weniger chaotisches Gesamtkunstwerk verwandelt. Einzig eine Jacke, gewebt aus Streifen, die einem alten, immer gleichen Muster folgen, zeigen, dass sich Michael für sein Leben eine gewisse Beständigkeit wünscht. Anfangs hilft seine Mutter ihm sogar dabei. Und aus diesem Schaffen kommen auch die Erinnerungen wieder, zögerlich und von Carola und Paul beäugt.

Die drei gehen dabei Kompromisse ein, die das Stück auf ein versöhnliches Ende zusteuern lässt. Paul stellt die Beziehung in Frage, manches war schon „sehr beige angestrichen“ und bewahre nicht durchweg harmonisch, aber Michael gibt Paul Impulse zurück, Momente, in denen auch er spontan, witzig und ein Hauch verrückt war.

Und auch Carola rückt davon ab, Michael wieder ganz für sich zu haben, schließlich ist auch sie elf Jahre älter geworden und gehört wohl zu den „alten Leuten, die Gott danken, dass das jugendliche Feuer erloschen ist“. Die Liebe ist geblieben, trotz Koma. Vielleicht hatte Michael Glück, dass bei ihm ein Reset-Knopf gedrückt wurde und er sein Leben neu starten kann, mit Erkenntnissen über seine ihm nächsten Menschen und die damit verbundene Chance, es besser zu machen.

Happach spielt den Michael mit überbordendem Charme und Bindeglied zwischen Carola und Paul. Mit letzterem leidet man mit, so eindringlich bringt er die Sorge um den geliebten Menschen und den Schmerz des drohenden Verlusts der Liebe und der Beziehung rüber.

Ich bin Fan von Mona Seefried (Sturm der Liebe, Single Bells und O Palmenbaum, um nur drei der bekanntesten TV Formate zu nennen). Sie kann charmant, quirlig, beleidigt, aufbrausend, liebevoll, sprich, ALLE Facetten so glaubhaft spielen, dass es mich aus dem Sitz gehauen hat.

Stehende Ovation der leider wenigen Zuschauer war nicht Lohn genug für diesen wunderbaren Theaterabend. Mein Dank an unsere Intendanz, wieder so eine Perle eingekauft zu haben. Ende des Jahres 2022 geht das Stück erneut auf Tournee unter der Konzertdirektion Landgraf, es lohnt sich Augen und Ohren offen zu halten.

Die Hoffmann
Die Hoffmannhttp://www.die-hoffmann.de
Im Namen der Kultur: Die Hoffmann | Steph Hoffmann, lange Jahre aktives Ensemblemitglied der Lüttringhauser Volksbühne, Kunstschaffende und Autorin verbringt viel Zeit mit Kultur und für die Kultur. Die Hoffmann nimmt ihre Leser mit, um die Teile der Remscheider Kulturszene kennenzulernen, die ihr persönlich gut gefallen. Objektivität? Braucht die Hoffmann nicht. Ihre Kolumne. Ihre Meinung. Sie möchten die Hoffmann einladen? Fragen Sie sie: frag@die-hoffmann.de
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